Central Australia
... wie das Überleben im Outback funktioniert.
Um in dieser endlosen Wüste oder Steppe der Arid Zone komfortabel leben zu können, bedarf es einer gewissen Infrastruktur, die die Aussies auf ihre ganz spezielle Art etabliert haben.
Straßen
Zunächst gibt es dort ein viele tausend Kilometer umfassendes Straßennetz, welches sich manchmal Highway (Autobahn) nennt und zur Überraschung der europäischen und asiatischen Touristen hauptsächlich aus unbefestigten Schotter- und Wellblechpisten besteht. Logischerweise fahren daher im Outback zu 95% allradangetriebene Geländewagen in XL oder XXL Format umher. Immer wieder fahren wir in der trockensten Steppe vorbei an schwarz-weiß gestreiften Stangen und gelben Floodway Schildern, die beidseits neben der Straße zu finden sind. Bei den Stangen handelt es sich um Wasserstandsanzeiger (bis zu 2 Meter hoch) und es ist nur wirklich schwer vorstellbar, dass das Wasser mitten im Outback an diesen Stellen so hoch ansteigen kann. Aber es kann, sogar überraschend schnell.
Wasserlöcher und Flüsse
Dort wo es viele Monate heiß und trocken ist, benötigt man auch Wasser zum Überleben. Die Flüsse und Bäche sind zwar schnell und heftig gefüllt, allerdings nur für sehr kurze Zeit, und die meisten Monate komplett ausgetrocknet. Einige wenige Stellen z.B. in Höhlen, tiefen Canyons oder im schützenden Schatten hoher Felsen bleiben in Form von Pfützen, Tümpeln oder gar kleinen Seen jedoch übrig. Wir befinden uns auf dem Gebiet der Arrernte Aborigines, die diese Wasserlöcher gut kannten und die Standorte als wohlbehüteten Schatz seit 20.000 Jahren von Generation zu Generation überlieferten. So eine Stelle ist beispielsweise der "Garden Eden" im Watarrka (dem Kings Canyon), oder in den West MacDonnell Ranges die Redbank Gorge, der Ormiston Waterhole, die Serpentine Gorge, der Ellery Creek Big Hole oder der Simpsons Gap. Eine Sonderstellung nimmt da der Finke River ein, der fast ständig Wasser führt. Wir konnten bei Glen Helen sogar in ihm baden, bevor er nach vielen hundert Kilometern durch Australiens Mitte in der Simpson Desert versickert. Also es gibt durchaus das ganze Jahr über Wasser im Outback, man muss nur wissen wo. Möchte man sich nicht alle Orte merken, dann sollte man zumindest einen durstigen Aborigine dabei haben und mit ihm Schritt halten können.
Medizin - Royal Flying Doctors Service
Obwohl die Aborigines sicherlich große Meister der Naturheilkunde waren und sie damit auch 40.000 Jahre gut über die Runden kamen, waren sie gegen die eingeschleppten Krankheiten des weißen Mannes machtlos. Da halfen dann auch keine Kräuterextrakte und auch kein Okker. Fast zweidrittel der Urbevölkerung starben aus. Okker wurde von den Aborigines nicht nur zur Körperdeko und zu zeremoniellen Zwecken benutzt, sondern auch als Heilmittel eingesetzt. Die Ochre Pits sind einer dieser heiligen Orte, an denen nur eingeweihte Aborigine Männer den Okker dem Felsen entnehmen dürfen. Diese Okkerfelsen entstanden übrigens vor 700 Mio. Jahren, als sich an dieser Stelle ein See von der Größe des Mittelmeers befand.
Weil der zivilisierte weiße Mann allerdings recht wenig über zentralaustralische Pflanzen, Wurzeln und Kräuter wusste und ihm auch die Techniken des Woodoozaubers, Schamanengesänge oder des Regentanzes nicht geläufig waren, musste er sich etwas einfallen lassen. Ärzte oder gar Krankenhäuser gab es nur wenige und auch nur in den wenigen Städten. Die Entfernungen groß, die Straßen schlecht und die Kranken meist reiseunwillig (verständlich, denn viele verstarben auf der mehrtägigen Anfahrt zum Arzt). Kurzerhand dachte man sich nach dem Motto "wenn Mohammed nicht zum Berg kommt, dann kommt der Berg zu Mohammed" und erfand 1928 den Royal Flying Doctor Service (RFDS). Hierbei wird die Krankenschwester oder der Arzt zum Patienten geflogen und ggf. der Patient eingepackt und ausgeflogen. Im Gegensatz zu unseren Rettungshubschraubern fliegt der RFDS nicht nur im Notfall, sondern einen Teil seiner Einsätze auch für regelmäßige Routinebehandlungen (z.B. Untersuchungen, Impfungen, Krankentransporte, Medikamentenlieferungen, usw.).
Ein weiteres wichtiges Standbein der medizinischen Versorgung im Outback sind die vielen, vielen Notfallkisten, die über das ganze Land, bis an die entlegensten Posten stationiert sind (so z.B. an Tankstellen, Farmen, Bohrstationen, geologischen Messposten, usw.). Diese Notfallkisten sind alle einheitlich nach RFDS-Standard inkl. Funkgerät bestückt. Sie enthalten von diversem med. Besteck (Spritzen, Kanülen, Sonden, Zangen, Nadelhalter, chirurgisches Nähzeug, etc.) eine Vielzahl von Präparaten und Medikamenten, die alle mit großen Zahlen durchnummeriert sind. Wenn es einen medizinischen Vorfall gibt, so kann jeder Laie über die bekannten Funkfrequenzen oder Telefon mit dem RFDS sofort mit einem Arzt sprechen, der dann per Ferndiagnose entscheidet welches Präparat auf welche Weise verabreicht werden soll. So braucht der Patient nicht zu warten bis das Flugzeug bei ihm ist, sondern kann eine deutlich schnellere Behandlung erhalten. Pro Jahr macht der RFDS mit 70 Flugzeugen ca. 250.000 Patientenbesuche in ganz Australien, das heißt alle 2 Minuten ein neuer Patient (also fast wie bei uns in der Praxis).
Schule - school of the air
500 Km bis zur nächsten Schule, das klingt doch nach dem Traum eines jeden Kindes. Sogar die vorbildlichste Mutter wird es wohl nicht schaffen ihr Kind täglich zur Schule zu bringen und am selben Tag zum Abendessen rechtzeitig zu Hause zu sein. Da selbst in Australien die Schüler keine Flugzeuge fliegen dürfen und auch nicht jeder Lehrer ein Flugzeug bekommt, könnte man nun denken, dass es sehr viele glückliche Kinder im Outback gibt, die nicht zur Schule gehen müssen. Zum Teil stimmt dies ja, denn sie gehen tatsächlich nicht in ein Klassenzimmer. Die Schüler der "School of the air" (die Schule der Lüfte) werden mit Computer, Webcamera, Drucker und Scanner ausgestattet, so dass sie täglich von ihrem Schreibtisch zu Hause am Unterricht, einer speziell aus solchen Schülern bestehenden Klasse, teilnehmen können. Die Lehrer wiederum sitzen, zu 95% alleine, in einem kleinen Fernsehstudio und der Unterricht läuft über ein Programm ganz ähnlich dem Skype ab. 1951 lief das alles noch über Radio und Funkgeräte. Früher mussten auch alle Lehrunterlagen (Bücher, Hefte, Mappen, etc.) per Post geschickt werden, heute erfolgt vieles über Download. Sogar Tanz- und Sportunterricht wird vor der Kamera abgehalten. Nur die Malfarben, Pinsel, Buntstifte, Bastelzeug für den Kunstunterricht werden heute noch mit der Post geschickt. Falls jetzt jemand von uns "normalen" Schulabsolventen denkt, dass es doch toll gewesen wäre gemütlich aus dem Kinderzimmer dem Unterricht zu folgen, der sollte allerdings wissen, dass jeder Schüler einmal pro Jahr vom Klassenlehrer und meist einem zweiten Lehrer besucht wird und wer will schon, dass gleich zwei Pauker bei ihm zu Hause übernachten?!?
Wir haben uns natürlich auch so eine Unterrichtsstunde im Schulzentrum in Alice Springs, wo sich die Studios für die Lehrer befinden, angesehen. Es war gerade eine Mathestunde, Geometrie in einer Klasse mit 7 Schülern dran. Ich muss sagen: es funktioniert. Zumindest in den Altersgruppen von 5-13 Jahren. Danach können die Schüler dann in eine Internatsschule. Übrigens das entfernteste Kind wohnt aktuell 1009 Km weit von der Schule entfernt!
Also - so taurig dies auch ist - es müssen leider auch die Outback-Kinder zur Schule, nämlich in das mit 1.300.000 Quadratkilometern größte Klassenzimmer der Welt. Das ist 10x so groß wie England.
Unterhaltung - Henley on Todd River Regatta
Diese jecken Aussies ... bevor er in der Einöde verrückt wird, lässt sich der Mensch so einiges einfallen. In der Mitte des Outbacks, in der zweitgrößten Stadt des Northern Territory, in Alice Springs ist dies eine Regatta im Todd River. Alice Springs (Mparntwe) ist zwar "Hauptstadt des Zentrums" doch eine eher überschaubare und recht ruhige Stadt. Außer den durchreisenden Touristen auf Ihrem Weg zum Uluru sowie der Flugzeug und Autoindustrie, die hier ihre Motoren und Prototypen in der Hitze der abgeschiedenen Wüste testen, gibt es nur noch einige geologische Forschungsstationen. Halt eine geruhsame Stadt mitten im Outback. Nur einmal im Jahr ist dann doch Rummel angesagt, wenn an einem Wochenende Wikinger, Piraten und Navy einfallen, um sich wohl die erstaunlichste Schiffsschlacht der Welt zu liefern. So weit, so gut, nur ist der Todd River ausgetrocknet. Ein braunsandiges staubiges Flussbett aus dem einige weiße Eukalyptusbäume ragen. Das ändert sich auch nicht bei der jährlich stattfindenden Henley-on-Todd-Regatta. Zuschauer verfolgen von Tribünen an der Uferpromenade wie die Teilnehmer statt Wasser nur Sand und Staub schlucken. Die "Wassersportler" steigen in ihre "Boote" in denen natürlich der Boden fehlt. Man trägt diese "Boote" und sprintet damit wie Fred Feuerstein durchs trockene Flussbett. Die wild im Steppensand paddelnden und schaufelnden Frauen und Männer verschwinden zeitweise komplett in einer rotbraunen Staubwolke. Das ganze Spektakel erinnerte uns recht stark an den Kölner Karneval, da auch die Zuschauer teilweise kostümiert ankamen. Das Ende des Trubels gipfelt in einer tosenden Schiffsschlacht mit ohrenbetäubenden Kanonendonner.
Diese Regatta ist wohl weltweit das einzige Flussbootrennen, das abgesagt werden muss, wenn der Fluss tatsächlich Wasser führt. Nur einmal, im Jahr 1993 ist die Veranstaltung tatsächlich "ins Wasser gefallen" als der Fluss 315 Tage lang Wasser führte.