Ningaloo Reef

Schnorcheln, Tauchen, Überraschungen

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Das Ningaloo Reef ist unter Tauchern und Wasserliebhabern ein wahrhaft bekannter Name, schließlich ist es das größte Saumriff der Welt und wir haben uns vorgenommen die ganzen 230 km abzutauchen. Nun gut ... vielleicht nicht die gesamten 230 km unter Wasser, doch zumindest haben wir geplant von der Südspitze bis zum Nordende immer wieder am Riff zu tauchen. Vor unserem geistigen Auge sehen wir schon die Touristenhochburgen mit nahtlosen Strandpromenaden, unzähligen Bars, Restaurants, Souvenirshop an Souvenirshop, aufdringlichen Touranbietern, Bootverleihern, Tauchshops und während der Nacht entsprechend lauter Musik aus zahlreichen Discolautsprechern. Wir befürchten in den Touristenmassen unter zu gehen.

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1. Überaschung: Entlang des Ningaloo Reef befinden sich lediglich zwei ausgesprochene Touristenorte, Coral Bay und Exmouth. Zu unserer Überraschung handelt es sich bei beiden um recht kleine und überschaubare Städtchen ohne Strandpromenade, Bars, Discos und vor allem ohne Touristenmassen. Lediglich 2-4 Campingplätze mit überteuerten Preisen und salzigen Duschen als weitere kleine Überraschung. Zwischen diesen zwei Örtchen ist nur Aboriginal-Land oder Farmland oder Nationalpark, also endlose unberührte Strände, an denen keine Menschenseele ist.

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2. Überraschung: Leider führt zu 95% dieser Strände auch keine Straße oder Weg, so dass sie wohl auch weiterhin menschenleer bleiben. Wir haben eine Nacht im Aboriginal Camp Bruboodjoo ca. 25 km nördlich von Coral Bay verbracht und waren dort in zwei Buchten. Noch besser waren unsere vier Tage in den Lefroy Bays, den Privatbuchten des Ningaloo Homestead (Farm) ca. auf halber Strecke Richtung Exmouth. Laut einem selbstgemalten Schild am Feldwegrand sollten wir zum Farmhaus fahren und hupen.  So getan kam auch schon der alte Farmer (oder Jackaroo) heraus, wollte für vier Nächte ganze 20 Dollar (13€) haben, drückte uns einen Schlüssel in die Hand und sagte wir sollten den Reifendruck ablassen und dann 15 km über die Sandpiste nach Norden fahren, der Schlüssel wäre für das grüne Gatter, wir sollten es wieder verschließen. Es sollte die beste Hausriff-Erfahrung unseres bisherigen Taucherlebens werden. Zwar ohne Strom und sogar ohne salzige Duschen, dafür aber mit tausenden wunderschön großen Hartkorallen, millionen bunten Rifffischen, neugierigen Riesenschildkröten, Seeschlangen, Rochen, Haien, usw. ... und all das 5-10 Meter vom Strand entfernt im 1-4 Meter tiefen Wasser unserer "eigenen" Bucht.

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3. Überraschung: Wir wollen hinaus und in die Tiefe und noch mehr sehen. In Coral Bay sollte es mindestens 3 Tauchbasen geben und in Exmouth, laut Karte sogar min. 4-5 Divecenter. Wir haben sie alle besucht und am Ende gab es genau einen Anbieter in Coral Bay und genau einen in Exmouth, die tatsächlich Gerätetauchen angeboten haben. Beide haben täglich lediglich eine Ausfahrt mit dem Tauchboot unternommen. Es scheint am Ningaloo noch sehr wenig bis gar keinen Tauchtourismus zu geben. Die Hälfte der 10 Teilnehmer auf dem Boot waren Schnorchler und die andere Hälfte die Taucher. In Exmouth waren insgesamt 5 Taucher an Bord und überhaupt keine Schnorchler ... uns konnte es ja nur recht sein. Fünf erfahrene Taucher und dazu ein Guide, es war ein wahrer Tauchertraum. Nach unserer Abreise ist die Tauchfahrt am kommenden Tag wegen zu geringer Teilnehmerzahl gar nicht zustande gekommen. Dem entsprechend sehen auch die Angebote der angeblichen Tauchcenter, oder besser der Touranbieter aus: snorkel, Boat trip, Whale watching, Kajakverleih, Fishing, Quad fahren am Strand, usw. !

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4. Überraschung: Schließlich ein Tauchcenter gefunden, dann können wir ja die Tauchgänge buchen. Die nette Mitarbeiterin erklärt uns, dass es leider keinen Mehrfachrabatt gibt, dafür aber eine gute Chance auf Mantas für 220 $ oder auf Buckelwale für 260 $ besteht. Wie meint sie das? Pro Paar? Oder pro Woche? Ne, ne, pro Ausfahrt und pro Person. Abfahrt der Tauchboote ist um 7:00 Uhr! Morgens!! Um Gottes Willen - das ist ja noch vor dem Aufstehen!!! Egal, jetzt sind wir hier, jetzt wollen wir auch ins Wasser und Buckelwale sehen. Dafür wird ein riesiger Aufwand betrieben, denn abgesehen vom obligatorischen Frühstück, Snack und Mittagessen auf dem Boot, werden ständig warme und kalte Getränke, Früchte bis hin zur Sonnenmilch serviert und über dem Boot kreist ein Flugzeug, welches nach den Walen Ausschau hält und den Skipper per Funk an die richtige Position lotst. So haben wir die Möglichkeit mehrmals mit den Walen zu tauchen.   

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5. Überraschung: Endlich im Wasser! Kaum abgetaucht schleift der Bauch auch schon am Meeresboden bzw. an den wunderbar scharfkantigen Hartkorallen. Was ist los ? Wo ist das tiefe blaue Meer? Das Ningaloo Reef befindet sich tatsächlich auf einer maximalen Tiefe von 10-12 Meter! Durchschnittlich eher 3-6 Meter, so dass bei Ebbe oft die obersten Korallen aus dem Wasser schauen. Zahlreiche Warntafeln mit der Aufschrift "Don´t step on the corals" (Nicht auf die Korallen treten) wurden für die Unwissenden angebracht.  Überraschend auch, dass Weichkorallen kaum vorkommen. Trotz unvorstellbarem Fischreichtum wird uns eine einsame Anemone mit Clownfisch (für die Kinder: Nemo) als Besonderheit präsentiert. Die Sichtweite (visibility) ist leider auch überraschend, nämlich gerade mal 9 Meter. Wohin man auch blickt (innerhalb dieser 9 m) nur Fische, große Fische und noch größere Großfische, ohne Ende. Wir haben das Gefühl, dass alle Tiere hier gleich eine Nummer größer sind, riesige Green Turtles, XXL-Rochen (Cowtail Rays), Mantas, Walhaie (Whalesharks) und eben die Wale (Humpback Whales). Wir gewöhnen uns schnell daran. Wenn zwei Mantas nur einen Meter unter uns Loopings drehen, oder wenn an der Putzerstation fünf Haie direkt vor unserer Nase  ihre Warteschleifen ziehen (oder haben sie uns bloß hungrig umkreist?), dann ist dies hier eben ganz normal. Wir werden verwöhnt und erwarten Superlative. Und die sollten wir auch bekommen. Als  wir einmal mit einem Wal schwimmen und dieser unter uns durchtaucht, sich dabei auf den Rücken legt und uns neckisch betrachtet, ist nicht ganz klar wer mit wem spielt.

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Die geringe Tauchtiefe ist auch den Dive-Guides bewusst, so dass uns der Guide in Exmouth eine Freude bereiten wollte (natürlich auch zu seiner eigenen Abwechslung) und ausnahmsweise mal den allertiefsten Tauchplatz (den er bereits seit 4 Jahren nicht mehr betaucht hatte) ansteuerte. Hierzu sind wir anderthalb Stunden mit dem Boot bis an die vorgelagerte Muiron Insel gefahren. Es ging auf die unvorstellbare Tiefe von 19 m hinunter - was soll ich sagen, an den meisten Orten dieser Welt eine eher durchschnittliche Tiefe, hier ein wahrer Abyss.

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6. Überraschung: Am Ende dieses Tauchgangs waren wir gerade eben am Boot wieder angekommen als neben uns ein Humpback Whale (australisch gerne Humpi genannt) auftauchte. Natürlich sind wir alle sofort hingeschwommen. Unglücklicherweise war unsere Tauchergruppe recht weit verstreut, so dass zwei Taucher auf der einen Seite des Wales waren und wir zu dritt auf der anderen. Als der Humpi bereits ziemlich nah dran ist erkennen wir dann einen weißen Zwerg, ein neugeborenes Kalb  an der Seite des Muttertieres. Alle versuchen zurück zu schwimmen. Plötzlich bemerkt auch die Humpi-Mama, dass wir auf der Seite ihres Kalbes sind und dreht sich schnell schützend zwischen uns und das Kalb. Trotz yogaähnlicher Gelenkigkeit hatte unsere Wal-Mama mit ca. 15 Meter Länge und 40 Tonnen Gewicht einen etwas größeren Wendekreis. Sie kriegt fast den Bogen, doch würden Andrea und ich jetzt unsere Arme ausstrecken, dann könnten wir ihre Nasenspitze berühren. Das gröbste war zwar vorbei, doch Humpi-Mama hat auch noch Brustflossen von 5 Meter Länge und die vergrößern eben diesen Wendekreis. Sie erwischt Andrea, zum Glück, nur an den Füßen, doch mich trifft Moby-Dick´s Cousine voll am Oberschenkel und Gesäß, so dass ich sprichwörtlich aus meinen Flossen fliege. Nach diesem Popoklapser werde ich mein Bein die nächsten Tage kaum bewegen können und Andrea darf täglich meinen blauen Fleck, der vom Po bis in die Kniekehle reicht, dokumentieren. Keine Sorge diese Fotos erspare ich euch. Das war also vorerst unser letzter Tauchgang, ich muss erstmal wieder gehen lernen.

Wow, was für ein Tag, doch das war es wert, denn wer kann schon erzählen, dass er von einem Wal aus den Flossen gehauen wurde.

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7. Überraschung: Die nördliche Hälfte des Riffs kann man nur besuchen, wenn man in den Cape Range Nationalpark fährt und dort in den Bush-Camps übernachtet. So weit, so gut. Es wäre ja nicht unser erster Nationalpark in Australien. Hier haben sich die Aussies etwas ganz besonders "tolles" und modernes einfallen lassen. Für diesen Park kann man ausnahmslos NUR online Buchungen durchführen. Das in einem Land, in dem 80% der Fläche nicht einmal Telefonnetzabdeckung hat, geschweige denn Internet. Ich glaub die wollen uns veralbern. Immerhin wird am Visitor Center des Parks ein kostenloses WLAN bereit gestellt, nur ist man dann bereits 15km im Park Inneren und hat bereits den Eintritt am Eingang bezahlt. Für wie viele Tage man den Eintritt zahlt, muss man hierbei wohl erraten, denn man weiß ja noch nicht wie viele Nächte in den Camps frei sein könnten. So ein Schwachsinn! Dazu kommt noch, dass man 55 km weit von der letzten Stadt entfernt ist, wo man sich hätte nach einer alternativen Unterkunft umsehen können. Wir haben uns bereits in Exmouth in der Touristinfo. des Internets bedient und diese innovative Onlinebuchung durchgeführt. Leider waren bereits alle Camps ausgebucht und wir mussten drei Tage warten, bis wieder Plätze frei wurden. Zu guter Letzt hat die unübersichtliche Homepage auch noch eine katastrophale Bedienerfreundlichkeit. Besser geht´s echt nimmer!

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All das wird ganz locker aufgewogen durch die unbeschreibliche Unterwasserwelt, die Vielzahl der möglichen Aktivitäten und diese Ecke der Insel hat auch klimatisch optimale Voraussetzungen zu bieten. Bei sommerlichen Lufttemperaturen ist die Wassertemperatur im Winter 20-22 Grad und im Sommer 28-30 Grad warm.  Wir verbrachten zwei Wochen am Ningaloo Reef und sind der Meinung, dass dies bisher der absolut beste Teil von Australien ist (und vielleicht gibt es ja auch irgend wann mal Süßwasserduschen).

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Walbeobachtung vom Strand aus ...

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... leider ohne ausreichendes Teleobjektiv und ohne Stativ, nur frei Hand.

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40 Tonnen, die durch die Luft fliegen!

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Brustflosse eines Humpi, der uns gerade zuwinkt.

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