Goldrush, Ghosttown
Honourable Roddy und seine kleinen Brüder
14. April 1864 am Taramakau Fluss nahe Hokitika. Der Sommer ist vorbei und der Herbst lässt mit seinen Regenwolken den Himmel grau und trist erscheinen. Die aufgeweichte lehmige Erde klebt an den Stiefeln und erschwert das Gehen durch den dichten Wald und die matschigen Sümpfe. Und doch sollte dieser Dienstag das bisherige Leben am Westufer der Südinsel grundlegend ändern.
Bis zu den 1860er Jahren gab es hier so gut wie nichts. Einige Maori suchten hier nach Pounamu, dem Greenstone oder auch NZ Jade genannt und an der Küste verirrte sich ab und an ein europäischer Walfänger, der vorübergehend Schutz in einer natürlichen Bucht suchte. Keiner der beiden hinterließ nennenswerte Spuren oder gar eine feste Siedlung, bis ... ja bis an diesem besagten Dienstag im April, nahe des Taramakau Flusses, in der aufgeweichten Erde, Gold gefunden wurde. Plötzlich kamen sie scharenweise. Fast 2000 waren es bereits innerhalb eines Jahres und es sollten noch mehr folgen, viel mehr. Bis 1867 sind es 29.000 Goldsucher, Glücksritter oder Geschäftsleute geworden, was 12% der damaligen Bevölkerung ausmachte. Übrigens die größte Immigrantengruppe waren die Chinesen ganz eng gefolgt von den Deutschen!
Primitiv aber glücklich. Man muss schon sehr goldverliebt gewesen sein um all den Entbehrungen zu trotzen. Es gab keine Städte, keine Häuser, keine Heizung, keine Bäder, nicht einmal Straßen, nur Urwald und kalten Regen und im Winter jede Menge Schnee. Es gab anfangs auch keine Frauen und auch das Essen war logischerweise viel einfacher, oder sagen wir maskuliner. Etwas Mehl und Wasser zu einem Brei vermischt, ab damit in die Pfanne und fertig ist der Damper, das Brot der Goldsucher. Das Menü war demzufolge:
Altes Menü
Frühstück: Damper & Bacon
Mittagessen: Damper
Abendessen: Bacon & Damper
Neues Menü
Frühstück: Damper & Bacon & Bohnen
Mittagessen: Damper & Bohnen
Abendessen: Bacon & Damper & Bohnen
Doch viel wichtiger war die ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Bei solch anstrengender körperlicher Arbeit kam natürlich nur gesunder Fruchtsaft auf den Tisch ... Hauptsache er enthielt Ethanol, Methanol, oder irgendein -ol. 1867 wurden 586.000 Liter Alkohol an der Westküste importiert.
Wild Wild West. viel Alkohol, wenige Saloongirls oder Tänzerinnen und die Anarchie konnte losgehen. Kämpfe, Diebstahl, Mord waren an der Tagesordnung. Daher hatte auch jede Stadt ihre kleine Polizeistation.
Wir übernachten in Goldsborough der zweiten Goldrauschstadt (1865) nach Hokitika und stellen am nächsten Tag fest, dass es, außer der Straße unweit vom Fluss, kaum noch Relikte gibt, die auf eine ehemals lebendige Kleinstadt deuten würden. Nicht alles hält ewig und schon gar nicht ein Goldrausch. Offensichtlich sind nicht alle Orte von der Landkarte verschwunden, einige sind recht wohlhabend geworden, so dass sie überleben konnten. So ein Städtchen ist Reefton, welches einst so reich war, dass es sich 1888 die erste öffentliche Stromversorgung der Südhalbkugel, einschließlich elektrischer Straßenbeleuchtung leisten konnte. Ich möchte hinzufügen, dass mir scheint als hätten sie es seither auch nicht für nötig erachtet diese zu erneuern.
Reefton Mainstreet
9. November 1905 mitten im Wald, wo später die Stadt Waiuta stehen sollte. Vier Glücksritter, Jimmy, Ernest, Bill und Dave krabbeln matschverschmiert in ihrem selbstgegrabenen Schacht umher und versuchen im Licht ihrer Petroleumlampen herauszufinden, ob denn das, worauf sie am Geburtstag von König Edward VII gestoßen sind, tatsächlich eine Goldader ist. Es scheint diese Goldgräber waren vielleicht harte Burschen, nur besonders helle Köpfchen waren sie nicht. Die vier besitzen zwar die Parzelle und das Schürfrecht und können trotzdem nicht wirklich viel damit anfangen. Sie fragen die Landesverwaltung, die umgehend feststellt, dass diese Goldader zu groß für eine private Mine ist. Unsere vier Glücksritter verkaufen daraufhin an einen lokalen Minenhändler (oder Spekulanten), der wiederum verkauft an einen englischen Konzern, welcher innerhalb weniger Monate eine komplette Kleinstadt (über 600 Einwohner) um den ursprünglichen Schacht herum baut und unsere Glücksritter, nachdem sie ihren Gewinn versoffen hatten, als Minenarbeiter einstellt. Die Mine förderte bis 1951 insgesamt 1.578.755 Tonnen Quartz, ein Gewinn von 732.907 Unzen Gold. Vom Glücksritter zum Minenarbeiter statt zum Millionär.
Nachdem wir in den bisherigen Ghosttowns von den ursprünglichen Ortschaften nichts mehr vorfinden konnten, begeben wir uns, rein zufällig genau am 9.11.2017, in die deutlich modernere Geisterstadt Waiuta. Obwohl diese Siedlung erst 1951-52 verlassen wurde hat sich die Natur bereits 99% wieder zurück geholt. Die Gebäude sind verschwunden und alles ist mit dichtem Grün überwachsen. Die kleine Polizeistation, ein Minengebäude und das Frisörhäuschen, sowie das Krankenhaus stehen noch neben 1-2 weiteren Bretterbuden. Ich habe versucht die gleichen Bilder aufzunehmen, die auf den alten Fotos abgebildet waren. Schaut selbst was übrig geblieben ist.
Waiuta obere Hauptstraße
Waiuta Hauptmine (wir hatten leider keine Pferde um sie vor unsere Kutsche zu spannen)
Waiuta Polizeistation
Fotograf und letzter Bewohner
Waiuta Hospital
10. September 1909 am Jones´ Creek nahe Ross. Ein Freitag wie jeder andere auch, an dem John Scott und Arthur Sharp in ihren durchnässten Stiefeln am Bach stehen und buddeln, schaufeln und waschen, und noch mehr buddeln, schaufeln und waschen, und plötzlich einen kindskopfgroßen 3,1Kg Klumpen in den Händen halten. Es sollte der mit 3098 Gramm bisher größte Nugget Neuseelands sein, der "Honourable Roddy". 1911 hübsch als Geschenk verpackt, wurde er dann König George V zur Krönung geschenkt. In den folgenden 50 Jahren verstaubte er allerdings im Buckingham Palace. Doch bei den Royals, da herrscht Ordnung und Sauberkeit und so wurde nach einem Frühjahrsputz der staubige Roddy hervorgeholt. Was macht also ein englischer König, wenn er beim Großputz über seinen größten unnützen Goldklumpen stolpert? Genau, er macht etwas sinnvolles daraus und lässt ihn zu einem "Royal Tea Service" einschmelzen.
Ross ist zwar keine Geisterstadt, sondern hat bis heute überstanden und lebt wohl hauptsächlich vom Durchreiseverkehr und dem Tourismus. Die Minenlandschaft ist komplett verlassen und die meisten Stollen sind eingestürzt. Alle Goldsucher sind arm gekommen, wenige reich gegangen, die meisten jedoch mit nicht viel mehr als mit dem was sie vorher schon hatten, und einige sind für immer geblieben. Der alte Friedhof mit den informativen Grabinschriften bietet einen interessanten Rückblick in die Vergangenheit und vom Hügel einen tollen Panoramablick bis ans Meer.
Übrigens richtig reich geworden sind die 17 Eigentümer der Wasserversorgung, die das Wasser in Ross an die Goldschürfer verkauft haben und damit alleine 1867 einen Gewinn von 9.000 Pfund Sterling erwirtschaftet haben.