Gletscher

Himmelskratzer und Eistränen

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Bereits aus der Ferne ist über dem Pukaki See der 3754 Meter hohe "Mount Cook" zu erkennen, der seinen Maori Namen "Aoraki" als Vornamen trägt. Übersetzt bedeutet Aoraki etwa Himmelskratzer. Der höchste Berg Ozeaniens ist Mittelpunkt eines Gebirges mit 19 Dreitausendern und über 140 Zweitausendern. Wenn man auf diese Bergkette zufährt und wie wir dabei strahlend blauen Himmel hat, dann ist das eine "Scenic Route" mit Sightseeing Faktor Fünf-Sterne-Plus. Die Gipfel haben einen besonderen Platz in der Maori-Mythologie, doch die Ngai Tahu, denen der Aoraki rückübereignet wurde, haben ihn nicht als tapu (heilig) erklärt und so kann man ihn besteigen, solange man ihm den nötigen Respekt erweist. Die Maori-Geschichte, die dahinter steckt lautet wie folgt: Vier Söhne des Himmelsvaters Rakinui (darunter auch der junge Aoraki) waren mit ihren Männern in einem riesigen Waka (Kanu) auf einer Kanutour um die Mutter Erde Papatuanuku. Plötzlich rammten sie ein Riff, kenterten und alle kletterten auf das kopfüber treibende Kanu. Doch ein Unglück kommt selten allein und so dauerte es nicht allzu lange bis ein eisiger Südwind von der Antarktis aufkam und sie zu Eis und Stein erstarren ließ. Der Rumpf des Kanus wurde zur Südinsel Neuseelands (Te Waka o Aoraki) und die Männer mit Aoraki an der Spitze zu den Gipfeln der "Southern Alps".

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Eine ganz besondere Erfahrung hatten wohl die Bergsteiger, die am 14.12.1991 auf dem Mt. Cook waren, als die bislang größte Lawine mit mehreren millionen Kubikmetern Masse abging und der Berg dabei 10 Meter seiner Höhe verlor. Die Geröll- und Schneemasse hatte dabei auf den steilen Hängen eine geschätzte Geschwindigkeit von 400-600 km/h und brauchte demnach auch einen etwas längeren Bremsweg. Sie kam erst 7 km entfernt auf dem Tasman Gletscher zum Stillstand.

Als bekennende Flachlandtiroler verzichten wir einfach auf die Besteigung á la Sir Edmund Hillary und wandern entlang der blauen Gletscherseen. Am Ende angekommen halten wir unsere dampfenden Füße, neben die anwesenden überdimensionalen Eiswürfel, in das wortwörtlich eiskalte Wasser gegenüber dem Hooker-Gletscher.

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In den Alpen Neuseelands sind 3132 Gletscher registriert. Selbstredend schauen wir uns auch die mit 27 km längste Eiszunge an, den Tasman Glacier. An der Skizze einer Hinweistafel ist erschreckend zu sehen, wie stark er bereits geschrumpft ist. Rund 30 Meter geht er derzeit pro Jahr zurück, aber in der Mitte hat er noch eine Dicke von ca. 600 m und selbst die Spitze der Gletscherzunge ist noch 200 m dick.

Nicht alle Gletscher schrumpfen, denn wenn man auf die andere Seite dieser Berge, an das Westufer schaut, dann sind die Niederschläge dort mit 9.000-15.000 mm/Jahr (Köln 774 mm/Jahr) so hoch, dass der Franz-Josef- und der Fox-Gletscher zeitweise wachsen. Ein globaler Temperaturabfall um 1 Grad Celsius bewirkt, dass die Gletscher mehr Wasser als Eis speichern und dadurch der Meeresspiegel um 25 cm abfällt.  Die globale Erwärmung um 1 Grad wiederum bewirkt, dass alle Gletscher stärker schmelzen und dadurch der Meeresspiegel um 25 cm ansteigt. Würde das gesamte Eis der Erde schmelzen, dann würde der Meeresspiegel um mehr als 70 Meter ansteigen. Natürlich ist dieses Gletscherwachstum sehr relativ, schließlich hatten die beiden (Franz-Josef und Fox), vor kaum 15.000 Jahren, ihre Zungenspitze noch im Meer, das heute 25 km entfernt vom Gletscher zu finden ist. Eben hier, an der Brandung der Tasmanischen See, übernachten wir und genießen den Sonnenuntergang.

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Warum heißt dieser Gletscher am anderen Ende der Welt eigentlich Franz-Josef? Genau genommen hat er drei Namen. Der Erste lautet "Tai-o-Wawe" übersetzt Wawe´s See. Der Zweite Name ist wohl der schönste "Ka Roimata o Hine Hukatere" und geht auf die tragische Maori-Legende zurück, nach welcher eine junge Frau in den Bergen ihren Liebsten verliert und einen Strom von Tränen vergießt, der Richtung Tal fließt und zu Eis wird. Die europäische Erklärung für den dritten Namen "Franz-Josef" hingegen ist deutlich profaner: Der deutsche Geologe Julius v. Haast und sein österreichischer Freund und Kollege Ferdinand Hochstetter unternahmen zuvor gemeinsam Expeditionen um Bodenschätze zu finden. Die Benennung des Gletschers 1865 nach dem österreichischen Kaiser der K&K-Monarchie war also in erster Linie ein Gruß an den Freund in Wien.

Der Gerechtigkeit halber sei auch der ursprüngliche Name des Fox-Gletscher erwähnt, der da lautet "Te Moeka a Tuawe" und bedeutet "das Bett des Tuawe", der als kleinere Gottheit wohl auf diesem gefrorenen Bett ruhte. Unweit des Fox Gletschers befindet sich der Lake Matheson. In eben diesem See kann man ... nein, könnte man bei idealen Voraussetzungen ... das perfekte Spiegelbild der schneebedeckten Gipfel auf der Wasseroberfläche fotografieren. Für besagtes Postkartenfoto sind nur drei schlichte Voraussetzungen nötig, die da wären: 1. Sonnenschein kurz vor Sonnenuntergang (nicht gerade typisch für Neuseeland), 2. wolkenloser Himmel für freie Gipfelsicht (was bei 15.000 mm Niederschlag pro Jahr äußerst schwierig ist) und 3. absolute Windstille (was bei weniger als 10 km Luftlinie zur Küste noch unwahrscheinlicher ist). Wir fahren zweimal zum See und haben diesen Blick:

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Am Mapourika See hingegen haben wir relativ freie Sicht auf die Berge und treffen Dorita & Roy wieder, zwei echte Kiwis, die wir bereits in Greymouth kennengelernt hatten. Sie sind so nett und leihen uns ihr handgefertigtes Kanu, um auf dem See eine kleine Spritztour machen zu können. Kaum 3 Wochen später ist der Blick über den Tekapo See auf der anderen Seite der Bergkette dann nochmals um Welten schöner.

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