kurioses Federvieh

Moa, Kiwi, Kakapo & Co.

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Einst besaß Neuseeland mit dem bis zu vier Meter großen Moa den größten Laufvogel des Planeten, der Eier legte, die mit 4,5 Kg Gewicht so gigantisch waren, dass man heute mehr als 80 Hühnereier bräuchte, um auf ein ähnliches Volumen zu kommen. Der Kiwi ist ebenfalls ein flugunfähiger Laufvogel, er ist lediglich so groß wie ein Hahn und kann seine Ahnenreihe biologisch einwandfrei auf den gigantischen Moa zurückführen. Trotz ihrer überschaubaren Größe bestehen die Kiwi, als reguläre Nachfahren, auch weiterhin darauf so große Eier zu legen, dass sie ihren Bauch während der Tragezeit meistens über den Boden schleifen und Tage vor dem Legen nichts mehr essen können, weil das Ei den gesamten Unterleib ausfüllt.

Der Name Kiwi stammt übrigens von den Maori und soll dem Ruf des Männchens "Keeee Weeee" nachempfunden sein, wohingegen die Europäer ihn lieblos "Apteryx australis" (der Flügellose) nannten. Die hervorgepressten Laute eines Kiwi Weibchens klingen für mitteleuropäische, an Singvogelstimmen gewöhnte Ohren einfach nur nach einer qualvoll knarzenden nicht geölten Tür. Der schrille Ruf des Männchens dient angeblich dazu, sein Revier abzustecken. Die sirenenartigen Laute seien für andere Kiwis auch in fünf Kilometer Entfernung noch zu hören. Das gleiche Ziel könnte der Kiwi auch locker mit seinem Geruch erreichen, schließlich verfügt er über eine, sagen wir mal schmeichelhaft, sehr markante Duftnote.

Man fragt sich unweigerlich, wie die Neuseeländer darauf kommen, sich als nationales Symbol und Wappentier, einen unscheinbaren, nachtaktiven, flugunfähigen, buckligen, asozialen, stinkenden Vogel auszusuchen, der derart schräge Töne von sich gibt und aussieht wie eine Kokosnuss mit Schnabelstrohhalm auf Extasy. Anscheinend haben sie sich 1920 schlicht nicht getraut gegenüber der Mutternation, der englischen Krone, ein machtvolles nationales Zeichen zu setzen.

Die Ureinwohner des Landes haben natürlich eine ganz eigene, mystische Erklärung, wie der Kiwi zum beliebtesten Vogel des Landes werden konnte. Tane Mahuta, der Gott des Waldes rief alle Vögel des Himmels zusammen, weil er sah, dass seine Bäume von Käfern und Insekten zerfressen wurden. Er fragte die Vögel wer bereit wäre, für immer die Lüfte zu verlassen um sich am Boden der Aufgabe zu widmen die Schädlinge und Larven zu verspeisen. Keiner wollte sich so wirklich melden, nur der Kiwi war bereit, dieses Opfer auf sich zu nehmen und nie wieder den Wind unter seinen Flügeln zu spüren. Ihm wuchsen dafür kräftige Beine und ein langer Schnabel, damit er sich nach getaner Arbeit erschöpft darauf abstützen konnte. Als Lohn für sein Opfer, so die Maori, sei der Kiwi der beliebteste und der nützlichste aller Vögel geworden, der Beschützer der Bäume.

Es gibt offiziell fünf verschiedene Kiwi Arten und natürlich sind sie alle geschützt (nachdem es den europäischen Siedlern fast gelungen wäre sie auszurotten). Kiwis sind übrigens die einzigen Vögel, deren Nasenlöcher an der Spitze ihres Schnabels sitzen und sie haben einen ausgezeichneten Geruchsinn. Verblüffenderweise können sie sich gegenseitig anscheinend nicht riechen, denn sie leben als Einzelgänger in keiner sozialen Gemeinschaft. Dies hier auf dem folgenden Foto ist übrigens kein Kiwi sondern ein Weka ... denn Kiwis sind nachtaktiv!

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Der wohl größte Freak auf den neuseeländischen Inseln ist wohl ein zu Übergewicht, Trägheit und sexueller Unlust neigender, nachtaktiver, flugunfähiger Papagei namens Kakapo. Die aufgezählten Eigenschaften beziehen sich allerdings nur auf das Männchen. Die Weibchen hingegen müssen bei solcher ausgeprägten maskulinen Egozentrik (dieses zu allem Überfluss auch noch untreuen Vogels) biologische und charakterliche Höchstleistungen erbringen, damit die Art überhaupt fortbestehen kann. Besonders schlau und adaptationsfähig scheint die Art ohnehin nicht zu sein, denn was macht der dickste flugunfähigste Papagei der Welt, wenn er einem seiner ärgsten Feinde, z.B. einer Katze, gegenüber steht? Er erstarrt regungslos wie ein frisch gefrorener Eiszapfen. Für eines der seltensten Tiere der Welt ist dies sicherlich eine stockdämliche Strategie, die ihn im Gefahrenfall zu einer todsicheren Beute macht. Die Reste seiner Flügel benutzt der hilfloseste Vogel des Planeten nur dazu einen Fall von einem Ast fallschirmartig abzubremsen. Fliegen ist physiologisch und ergonomisch betrachtet eine ziemlich aufwändige Angelegenheit, denn es kostet Energie. Aber Sex kostet auch Energie. Der auf Effizienz getrimmte Kakapo verzichtet auch bei der Partnergewinnung auf sämtliche Angebereien wie bunte Federn oder umständliche Tänze. In der Paarungszeit sucht sich das Männchen ein steiniges Plätzchen auf einer Anhöhe (wo die Akustik besonders gut ist) von wo aus sein enorm tiefer, brummender Balzton auch für entfernte Weibchen hörbar ist. Das macht er jede Nacht über hundert Tage im Jahr. Wenn ich im Physikunterricht richtig aufgepasst habe, dann   haben diese besonders tiefen Töne allerdings im Hinblick auf eine erfolgreiche Fortpflanzung einen ganz entscheidenden Nachteil. So weit sie auch zu hören sind, aufgrund ihrer niedrigen Frequenz sind tiefe Schallwellen auch für spitze Papageienohren nicht zu lokalisieren. Angenommen die tiefen Rufe eines paarungsbereiten Kakapo treffen irgendwo tatsächlich auf die Ohren eines Weibchens (was sie wahrscheinlich nicht tun), angenommen, das Weibchen kann herausfinden woher diese Töne kommen (was ihr wahrscheinlich nicht gelingt), angenommen, das Weibchen überwindet alle diese Schwierigkeiten und die kilometerweite Distanz durch dichten Regenwald (falls es das überlebt), dann kann es sich nur paaren, wenn ein ganz bestimmter Baum, die Südbuche, Früchte trägt (auf diese Früchte ist das Weibchen während ihrer Aufzucht angewiesen), was allerdings nur alle fünf (5!!!) Jahre der Fall ist. Angenommen, der angestrebte sexuelle Akt wurde erfolgreich vollzogen (was ich bei diesem Vogel ernsthaft bezweifeln mag), dann beginnt für die Dame des Hauses eine ausgesprochen hektische und anstrengende Zeit. Sie muss ein Nest bauen, Futter suchen und die Küken großziehen - alles ohne Mitwirkung des noch monatelang balzenden Männchens, das keine Kralle rührt und keinerlei Interesse an einer festen Bindung zeigt, sondern eine zweite Lady für eine weitere Liebesnacht herbeizurufen versucht. Und zu allem Überfluss muss das Weibchen diese Arbeit als flugunfähiger Vogel auch noch zu Fuß erledigen.

Mir ganz unverständlich wie ein Tier, das sich auf so katastrophal komplizierte Weise vermehrt, überhaupt so lange überleben konnte. Angeblich dient dieses exorbitant umständliche Reproduktionsverhalten, mit all seinen selbst auferlegten Komplikationen, ausschließlich dazu, eine Überbevölkerung zu vermeiden und die Population stabil zu halten, weil der Kakapo schlicht keine Feinde (bis auf den Adler) hatte. Durch die eingeschleppten Jäger Marder, Katze und Co. reduzierte sich der Bestand auf erschreckend wenige 22 Exemplare und wurde dann kontrolliert wieder auf ca. 130 Tiere aufgezüchtet.

Unterwegs in Neuseeland

Tipp 2:

Der schlauste von allen Vögeln ist übrigens ebenfalls ein Neuseeländer. Mister Bird Brain, ist der Kea, der einzige alpine Papagei der Welt. Sie sind intelligenter als viele Säugetiere und können problemlos Reißverschlüsse öffnen um dann in Handtaschen und Reisegepäck zu stöbern und nicht selten sieht man sie anschließend mit schicken Fotoapparaten oder glitzernden Armbanduhren davonstapfen. Sie haben keine Scheu vor Menschen und sind im Spieltrieb überaus einfallsreich. Mit Vorliebe zupfen sie z.B. die Gummidichtungen der Autotüren und Fenster heraus. Deshalb lautet der Tipp: Türdichtungen mit Insektenspray einsprühen, diesen Geschmack mögen die Kea nicht und gehen dann lieber weiter zum nächsten Auto. Letztendlich waren sie dann doch nicht klug genug, denn ihre unvoreingenommene Neugier, ihre Verspieltheit mit humanem Eigentum und besonders ihr geschmackvolles Fleisch bedeuteten fast ihren Untergang. Bis 1971 wurden sie gejagt und heute existieren sie nur noch in den Alpen der Südinsel.

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