Maori

Seefahrer, Menschenfresser und der Berg im Wasser

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Angefangen hat wohl alles laut Schöpfungsgeschichte der Maori mit Mutter Erde Papatuanuku und Vater Himmel Ranganui, die es eng umschlungen ziemlich toll getrieben haben müssen, denn sie zeugten einen Spross nach dem anderen, übrigens ausnahmslos Söhne, deren Unzufriedenheit mit zunehmendem Platzmangel immer größer wurde. Sie diskutierten und debattierten und entschieden, dass der stärkste unter Ihnen, Tane Mahuta, der Herr des Waldes als großer Kauri Baum die beiden Eltern auseinander drücken sollte. So presste er Vater Himmel Stück für Stück nach oben und es entstand unsere heutige Welt.

Während vor 800-1000 Jahren in Europa das finstere Mittelalter herrschte und unsere Vorfahren eifrig auf Hexenjagd waren, kämpfte sich irgendwo in den Weiten des Pazifischen Ozeans das hölzerne katamaranähnliche Kanu (Waka) des polynesischen Stammes des Häuptlings Kupe, bereits 2000 Kilometer von ihrer Heimat Hawaiki entfernt, durch einen wilden Sturm auf dem Meer. Es muss irgendwann zwischen 1280 und 1350 n.Ch. gewesen sein, als plötzlich Kuramarotini, die Frau des Häuptlings, Wolken am Himmel erblickte und aufschrie: "He ao, he ao, he ao tea, he ao tea roa!" (eine Wolke, eine Wolke, eine weiße Wolke, eine lange weiße Wolke). Seither ist der ursprüngliche Name Neuseelands Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke.

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Wie gut diese Seefahrer wirklich waren zeigt ihr Siedlungsgebiet, welches bereits 1000 n.Ch. das riesige polynesische Dreieck von den Osterinseln über Hawaii bis hin zu Neuseeland umfasste. Sie orientierten sich tagsüber am Vogelflug, den Meeresströmungen und den Wolkenformationen und nachts an den Sternen und legten auf diese Art unglaubliche Strecken über das offene Meer zurück.

Erst nach Ankunft der Weißen vor ca. 350 Jahren nannten sich die Einheimischen "Maori", was nichts anderes bedeutet, als "normal" und gaben den Weißen den Namen "Pakeha", das Wort für "Fremder".

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Die Ankunft der Fremden, ihre Art rückwärts zu rudern, ihre Feuerlanzen und die seltsamen Tiere, vor allem aber der Berg im Wasser haben den Maori mächtig imponiert. Da taucht unverhofft dieses skurrile Etwas mit bunten Fahnen und riesigen geblähten Segeln am Horizont auf. Für die maorischen Ureinwohner konnte es ja nur ein Berg gewesen sein, oder vielleicht doch eine sich bewegende Insel? Ein so großes Kanu hatten sie bis dahin noch nie gesehen und auch ihre Legenden hatten ein so großes Waka nicht erwähnt.

Der Berg im Wasser, das war die Endeavour, mit der James Cook 1768 in England aufgebrochen war um neues Land zu suchen. Hoch oben im Ausguck hat der Schiffsjunge Nicholas Young Dienst, als es dann am 7.10.1769 soweit ist und er den langersehnten Satz "Land in Sicht" herunter rufen kann. Ganze 120 Jahre nach dem Holländer Abel Tasman, der irrtümlicher Weise dachte, dass es sich bei den Inseln um die Küste Chiles handelt.

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Auch Cook wurde von Irrtümern und Missverständnissen nicht verschont. Als einige Maori-Krieger ihm zu Ehren einen Haka-Kriegstanz aufführten und dabei, ganz Haka-typisch, rituell ihre Lanzen hoben, die Zungen herausstreckten, wild schrien und mit den Augen rollten, muss dies auf die englische Mannschaft wie ein Angriff gewirkt haben, denn sie schossen sofort und töteten einige Maori Tänzer. Für die Maori war es das erste Mal in ihrer Geschichte, dass sie die seltsamen Feuerlanzen zu sehen bekamen.

Die Maori Krieger müssen ja auch gefährlich ausgesehen haben, schließlich ist es maorische Tradition auch das Gesicht mit Ornamenten zu tätowieren. Ein Tattoo, das sich über das Gesicht erstreckt heißt "Ta Moko" und wurde traditionell mit Meißel, Haizahn und Holzhammer eintätowiert. Diese Tattoos sind Landkarten der Seele, sie zeigen woher der Träger stammt. Ebenso hat das Kinntattoo der Frauen, das Moko eine tiefere Bedeutung. Ein Moko dient als Geburtsurkunde oder Stammbaum und kann von anderen Maoris gelesen werden.

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Später entspannte sich das Verhältnis zwischen Cook und den Maori immer mehr, doch es gab weitere Missverständnisse. 1773 wurden zehn Besatzungsmitglieder des Begleitschiffs Adventure von den Maori getötet und - den Sitten der Maori entsprechend - fachgerecht gekocht und gegessen. Ihrer traditionellen Vorstellung nach sollte das "Mana", die Kraft, die Macht und der Mut der Engländer, so auf sie übergehen.

Logbucheintrag der Endeavour von James Cook, 17. Jan. 1769:

"Keiner von uns hatte den geringsten Zweifel daran, dass diese Leute Kannibalen waren; doch dieser Knochen mit einem Teil der noch frischen Muskeln daran war ein stärkerer Beweis dafür als alles andere, was uns bisher begegnet war. Und um völlige Sicherheit bezüglich ihres (des Maori) Berichts zu erlangen, sagten wir einem von ihnen (dem Maori), es sei nicht der Knochen eines Menschen, sondern der eines Hundes, doch dieser (Maori) ergriff in großer Erregung seinen Unterarm und wiederholte, dass es ein Menschenknochen sei, und um uns zu zeigen, dass sie das Fleisch verzehrt hatten, biss er mit den Zähnen in das Fleisch seines eigenen Armes und tat als wolle er es essen ..."

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Die neuseeländische Küche ist für unsere europäischen Gaumen auch eine kleine Entdeckungsreise. Die englischen Gerichte sind halt schlicht fad, obwohl die Kiwis behaupten, dass z.B. ihr Pie besser schmeckt als das Pie der Australier. Die asiatischen Gerichte sind exotisch gewürzt und schmecken uns am besten. Die maorischen Gerichte sind interessant und gar nicht so schlecht wie man sich das zunächst vorstellen würde. Am häufigsten wird das Hangi angeboten, bei dem diverse Zutaten (Fleisch und Gemüse in Palmenblätter gewickelt) mit heißen Steinen in ein Erdloch gelegt werden und dann zugedeckt für Stunden durchgaren. Natürlich stehen auch alle möglichen wilden Vögel auf dem maorischen Speiseplan. Eine Geschichte besagt, dass beispielsweise der Pukekeo, dessen sehniges muskulöses Fleisch angeblich köstlich schmeckt, nur oft aufgrund mangelnder Kochkenntnisse schlicht als zu hart empfunden wird. Dabei ist die traditionelle Zubereitung denkbar einfach. Die Ureinwohner legten einen glühendheißen Stein mit in den Topf zum Pukeko. Das Rezept sieht dann vor diesen Topf abgedeckt für 4 Stunden köcheln zu lassen. Danach öffnen die Maori behutsam den Topf, werfen den Pukeko weg und essen den Stein.

Eingeschleppte Seuchen und Krankheiten reduzierten nach 1769 stark die Zahl der indigenen Bevölkerung. Um 1800 lebten neben den zahlreichen europäischen, amerikanischen und asiatischen Abenteurern, Missionaren, Seeleuten und Goldsuchern in Neuseeland rund 120.000 Maori. Im Tausch gegen Land erhielten sie von den Pakeha (Europäern) die begehrten Feuerlanzen (Gewehre) und weil sich nicht alle Häuptlinge und Sippen gut riechen konnten, kam es unter den Maori zu blutigen Kämpfen. In diesen so genannten Musketenkriegen starben weitere 20.000 Krieger. Als dann, ab 1820, auch die Konflikte mit den weißen Siedlern zu eskalieren drohten, entkamen die Maori nur knapp einem Völkermord. Die alarmierenden anarchischen Zustände blieben vom englischen Königshaus nicht unbemerkt und führten 1840 zum Vertrag von Waitangi, dem Grundstein der neuseeländischen Verfassung. Leider kam es auch hierbei zu einem Irrtum, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. Die britische Krone hatte angenommen, dass dieser Vertrag für alle Maori bindend sei und dabei übersehen, dass trotz der über 500 Unterzeichner noch immer viele Häuptlinge den Vertrag nicht signiert hatten.